Was wir alles konnten….
Im letzten Beitrag wurde aufgezeigt, warum wir als Kinder spielend leicht lernten. Und wenn wir dies im Erwachsenenalter nicht mehr tun, drängt sich die Frage auf:
Warum verliert man diese „Leicht-Lern-Fähigkeit“?
Die Phase, die ich im ersten Teil angesprochen hatte, betrifft die Lebensjahre vor der Einschulung. Dann bekommt das Leben und Lernen bekommt einen anderen Fokus. Man lernt lesen, schreiben und die Leistungen werden benotet – ein gewisser “Ernst” kommt ins Lernen – je höher die Klasse, umso höher die Anforderung. Damit scheinen viele das Gen des leichter Lernens nach und nach verloren zu haben.
Das muss nicht bei allen so sein – vielleicht haben Sie sich bis zum Abitur und weiter durch Ihre Lernzeit “gespielt” – bei mir war das nicht so…
Aber das eben genannte ist nur EINE Erklärungsmöglichkeit.
Eine andere liegt in der Gehirnentwicklung von uns Menschen verborgen.
Bis zur Geburt ist der grösste Teil des menschlichen Gehirns ausgebildet. Die restlichen Zellen und ihre festen Verbindungen entwickeln sich in den ersten Lebenswochen und nach drei Monaten ist das eigentliche Zellwachstum weitestgehend abgeschlossen. Die Verdrahtung steht quasi.
Die weitere Entwicklung des Gehirns geschieht durch die synaptische Verbindungen der Zellen: Sprich durch die Schaffung von Schnittpunkten und Weichen im Gehirn – der sogenannten Synapsen.
Gehirnentwicklung in den ersten 14 Jahren
Die Dichte der neuronalen Verbindungen ist mit 8 bis 10 Monaten am höchsten und nimmt danach langsam ab. Ab dem Alter von 6 bis 7 Jahren geht die Dichte jedoch stark zurück und pendelt sich auf einem Niveau ein, das sich bis zum Erwachsenenalter kaum mehr verändert.
Warum ist das so?
Es gibt viele Erklärungsansätze dafür. Doch zwei sind für das Verständnis der alphaskills zentral:
- Reduktion durch Spezialisierung
Die Entwicklung der Verknüpfungen im Hirn hängt mit der Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten zusammen. In der präverbalen Phase kann man die grösste Zunahme an Verknüpfungen im Gehirn beobachten: Mit 8 bis 10 Monaten beginnt ein Kind, Sprache zu verstehen und sich mehr und mehr auf sprachliche Informationen auszurichten. Mit 1 bis 1 ½ Jahren beginnt ein Kind dann in der Regel zu sprechen, und Sprache dominiert zunehmend dessen Leben. Wenn im Schulalter die Schrift hinzukommt, nimmt die Sprache als Ausdrucks-, Kommunikations- und leistungsbelohntes Medium den grössten Raum ein.
Diese Spezialisierung, die uns zu Menschen macht, ist gleichzeitig eine starke Einschränkung. Denn Sprache ist ein Konzept und belebt das Gehirn ganz anders als das originär bildhafte Denken, mit dem ein Kind in der präverbalen Phase unmittelbar vertraut ist. Die Sprache wird beim Lesen und Schreiben über das Sprachzentrum verarbeitet, welches den grössten Begrenzungen unterworfen ist. Es ist eine Reduzierung durch Spezialisierung; eine notwendige Konditionierung zum Mensch-Sein, die aber auch zu einer Überbetonung eines Teils des Gehirns führt.
- Reduktion zu Gunsten der Funktionalität
Ein weiterer Ansatz geht davon aus, dass Abnahme der synaptischen Verbindungen nach dem ersten Lebensjahr durch die Schaffung neuronaler Pfade kompensiert werde. Das heisst: Alles, was ein Mensch erlernt und automatisiert, so zum Beispiel auch wiederkehrende Gedanken oder Gefühle – schafft bleibende „Pfade“ im Gehirn. Impulse und Reize werden automatisch auf diese „Pfade“ geleitet, was die Funktionalität unseres Gehirns erhöht. Diese Reduktion führt zur weit verbreiteten Aussage, dass der Mensch nur 5 bis 7 Prozent seines Hirnpotenzials nutzt.
Denken ist ein ständiger Prozess des Abgleichens von Bekanntem und Neuem – von Neuem aufnehmen und integrieren. Von Verbindungen herstellen zwischen Vertrautem und weniger Vertrautem. Diesem Prozess sind grundsätzlich keine Grenzen gesetzt, und er steht auch nicht im Widerspruch mit der Schaffung und Erhaltung von funktionalen neuronalen Pfaden.
Die Begrenzung beginnt dort, wo das menschliche Gehirn zu wenig Neues aufnimmt. Wenn man in immer gleichen Bahnen denkt, schafft das starke neuronale „Autobahnen“ und sämtliche anderen „Denkpfade“ verkümmern. Dann funktioniert das Gehirn und wir somit als Mensch vielleicht effizient, aber es findet keine Entwicklung mehr statt. Was nicht bekannt ist und im Gehirn nicht abgeglichen werden kann, wird sofort verworfen.
Lösung: Entwicklung durch Vielseitigkeit
Wie können wir diesen Tendenzen entgegenwirken und unser Gehirn wieder “ganzheitlicher” in Besitz nehmen?
Indem wir “Kopfarbeiter” die tägliche Informationsverarbeitung, welche ja 100% der Tätigkeit ausmacht (lesen, zuhören, verarbeiten zur Wiedergabe oder zu Entscheiden, Problemlösungen ode zur Ideengenerierung/-umsetzung) möglichst ganzheitlich gestalten. Durch vermehrt rechtshemisphärische Verarbeitungsweisen von Wort und Schrift kann diese linkshemisphärische Dominanz konstruktiv und „Gehirn-entwicklungsfördernd“ ergänzt werden.
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